Die Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge

Auch in ganz persönlichen Angelegenheiten gibt es kein allgemeines Vertretungsrecht bei Ehegatten, z. B. bei der Einwilligung in ärztliche Behandlungen.

Beispiel 6

Herr Engel ist in ärztlicher Behand- lung. Frau Engel ist sehr besorgt und möchte vom Arzt wissen, woran Herr Engel leidet und welche Medikamente er verschrieben bekommen hat. Der Arzt ist grundsätzlich nicht dazu berechtigt, Frau Engel diese Auskünfte zu geben. Denn die ärztliche Schweigepflicht gilt auch gegenüber der Person, die mit dem Patienten verheiratet ist. Nur wenn Herr Engel sein Einverständnis gibt, kann Frau Engel die gewünschten Informationen erhalten.

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es in akuten Krankheitssituationen ein auf höchstens sechs Monate befristetes gesetzliches Ehegattennotvertretungsrecht: Wenn ein Ehegatte selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen in Gesundheitsangelegenheiten zu treffen, darf dies für ihn der andere Ehegatte für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten übernehmen. Eine Verpflichtung zur Vertretung besteht nicht – ist der Ehegatte also aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht dazu in der Lage oder aber nicht willens, die Vertretung des anderen Ehegatten zu übernehmen, muss er dies nicht tun.

Voraussetzung des Vertretungsrechts ist, dass ein Ehegatte bewusstlos oder krank ist und aus diesem Grund seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann.

Beispiel 7

Herr Engel hat einen Herzinfarkt erlitten. Die Ärztin Dr. Schlau hält eine Operation für angezeigt. Sie benötigt für die Behandlung die Einwilligung des Herrn Engel, der aber nicht ansprechbar ist. Frau Engel lässt sich von Dr. Schlau aufklären. Anschließend willigt Frau Engel in Vertretung von Herrn Engel in die Operation ein. Um dem vertretenden Ehegatten die verantwortungsvolle Wahrnehmung des Vertretungsrechts zu ermöglichen, sind die behandelnden Ärzte ihm gegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden.

Der vertretende Ehegatte darf in unauf- schiebbare Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder sie untersagen. Von der Vertretungsbefugnis erfasst sind nur Einwilligungen in Behandlungen oder Eingriffe, die aus medizinischer Sicht notwendig sind. Regelmäßig betrifft dies Fälle von akut eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung, die eine ärztliche Versorgung notwendig machen (z. B. eine Operation oder lebenserhaltende Maßnahmen während eines künstlichen Komas). Daneben darf er auch Behandlungsverträge, Krankenhaus­ verträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen. So kann beispielsweise die sich an einen Krankenhausaufenthalt unmittelbar anschließende unaufschiebbare Rehabilitationsmaßnahme auch dann vertraglich organisiert werden, wenn die Kosten nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung ab­ gedeckt sind.

Über freiheitsentziehende Maßnahmen (z. B. Bettgitter während eines postoperativen Delirs, die den Patienten oder die Patientin zu seinem bzw. ihrem Schutz am Aufstehen hindern soll) darf der vertretende Ehegatte entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet. Er benötigt dafür aber eine Genehmigung des Betreuungsgerichts.

Dabei hat sich der vertretende Ehegatte stets von den Wünschen oder dem mutmaßlichen Willen des Patienten oder der Patientin leiten zu lassen. Es gilt, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten oder der Patientin zu wahren und seinen bzw. ihren Willen umzusetzen. Sollten der aktuelle Wille oder die Behandlungswünsche nicht bekannt sein, hat sich der Ehegatte zu fragen, wie der Patient oder die Patientin entschieden hätte, wenn er bzw. sie noch selbst bestimmen könnte, und diesen mutmaßlichen Willen dann umzusetzen. Dabei sind frühere Äußerungen des Patienten oder der Patientin, seine bzw. ihre ethischen oder religiösen Überzeugungen oder persönlichen Wertvorstellungen zu berücksichtigen.

Für die Ausübung des Vertretungsrechts nach der Erstbehandlung erhält der vertretende Ehegatte vom Arzt oder von der Ärztin ein Dokument.

Ausgeschlossen ist das Vertretungsrecht, wenn die Eheleute getrennt leben. Lehnt der Ehegatte eine Vertretung durch den anderen Ehegatten ab (die Ablehnung kann er in das Zentrale Vorsorgeregister bei der Bundes­ notarkammer eintragen lassen) oder hat er bereits jemanden mit seiner Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bevollmächtigt, besteht ebenfalls kein gesetzliches Vertretungsrecht. Eine Vorsorgevollmacht kann in dem Zentralen Vorsorgeregister registriert werden. Das Register wird von der Bundesnotarkammer geführt und kann von Gerichten und Ärzten eingesehen werden.

Hinweis

Überlegen Sie, ob eine individuelle Vorsorgevollmacht für den Fall Ihrer Handlungsunfähigkeit nicht die bessere Alternative ist. Genauere Informationen finden sich in der vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Broschüre „Betreuungsrecht“ (www.bmj.de).

Das gesetzliche Vertretungsrecht endet jedenfalls spätestens sechs Monate nach dem von dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin festgestellten und bestätigten Eintritt der Bewusstlosigkeit oder Krankheit.

Beispiel 8

Am 15. 3. erlitt Herr Engel seinen Herzinfarkt. Frau Dr. Schlau dokumentierte den Eintritt der Krankheit in dem Dokument, welches sie Frau Engel aushändigte: Spätestens mit Ablauf des 15. 9. endet das gesetzliche Vertretungsrecht der Frau Engel.

Sobald der Patient oder die Patientin wieder einwilligungs- und handlungsfähig ist, endet das Ver­ tretungsrecht des Ehegatten automatisch.

Beispiel 9

Herr Engel hat sich von seinem Herzinfarkt erholt und ist wieder ansprechbar. Er wünscht so schnell wie möglich, das Krankenhaus zu verlassen und eine Rehabilitationseinrichtung zu besuchen.

Frau Engel ist nicht mehr berechtigt, das gesetzliche Vertretungsrecht auszuüben. Herr Engel bevollmächtigt sie aber ausdrücklich, die erforderlichen Verträge für ihn abzuschließen.

Mit der Bestellung eines rechtlichen Betreuers für den Patienten oder die Patientin für die Angelegenheiten der Gesundheitssorge endet das Vertretungsrecht ebenfalls. Auch wenn ein Betreuer nur für einzelne der Angelegenheiten bestellt wird, für die das Gesetz ein Vertretungsrecht von Ehegatten vorsieht, ist das Vertretungsrecht des Ehegatten in diesem Umfang ausgeschlossen. Die Einleitung eines Betreuungsverfahrens kann der Ehegatte oder jede andere Person jeder­ zeit anregen.

Wenn die Voraussetzungen des Ehegattenvertretungsrechts nicht vorliegen oder der vertretende Ehegatte es nicht ausüben kann oder will, ist es erfor­derlich, gerichtlich einen rechtlichen Betreuer zu bestellen, sofern ein Handlungsbedarf in rechtlichen An­­­ge­legenheiten besteht.

Beispiel 10

Frau Engel hat einen schweren Schlaganfall erlitten und wird beatmet. Ihr Ehemann will mit der Nachbarin zügig ein neues Leben beginnen und möchte, dass das Beatmungsgerät abgestellt wird. Der Krankenpfleger hat Zweifel, dass dies dem Wunsch von Frau Engel entspricht. Er informiert das Betreuungsgericht.

Der Betreuungsrichter unterhält sich mit Herrn Engel, dem Krankenpfleger und weiteren Angehörigen. Danach bestellt er die Tochter der Frau Engel aus erster Ehe zur Betreuerin. Herr Engel darf seine Ehefrau nicht mehr vertreten.

Es bietet sich an, frühzeitig selbst vorzusorgen und sich z. B. als Ehegatten gegenseitig durch eine Vorsorgevollmacht entsprechend abzusichern. Auch andere Vertrauenspersonen können bevollmächtigt werden. Genauere Informationen finden sich in der vom Bundesministe­rium der Justiz herausgegebenen Bro­schüre „Betreuungsrecht“ (www.bmj.de).

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